Der ewige Wanderer

Mein Leben fühlt sich an wie eine Reise. Ich treffe hie und da auf Gruppen, doch ich bleibe nicht dort, ich bin nur ein Gast an diesem Ort. Ich spüre, dass es nicht das ist, was ich mir vorstelle. Andererseits verweilen auch die anderen nicht lange bei mir. Es gibt in meinem Leben wenig, was sie selbst suchen. Ich kann nicht ablenkend für sie sein; ich kann auch nicht spannend für sie sein. Meistens möchte ich schlicht nur irgendwo sitzen oder meine Arbeit tätigen. Ich möchte gar nicht mit ihnen über etwas Belangloses sprechen. Für sie heißt es, Entspannung zu erfahren, sich mit anderen auszutauschen, ich halte mich lieber zurück. Was sollte ich erzählen? Alles, worüber ich nachdenke, ist sehr intim. Ich spreche nicht darüber, dass die Sonne scheint. Ich spreche nicht darüber, dass es kalt geworden ist.
Meine Assoziation ist eher absonderlich. Wenn einer sagt: „Es ist kalt geworden“, dann denke ich: Ja, manchmal wird es im Inneren kalt und es bedarf viel Wärme, um dies wieder rückgängig zu machen, um wieder zu erwärmen, aufzutauen. Und schlussendlich kann das sehr schmerzhaft sein.
Aber die anderen meinen das Wetter und ich meine mein Innenleben.
Es ist eine andersartige Seinsweise.
Wenn andere anfangen, zu pauschalisieren und alles schlecht zu machen, verfalle ich ins Schweigen. Ich signalisiere keine Aufmerksamkeit ihnen gegenüber. Ich schaue sie nicht an, ich reagiere nicht nonverbal, geschweige denn verbal. Ich weiß, dass sie das gerne möchten, damit sie sich wohl fühlen, aber dafür gibt es andere Menschen, die so ticken wie sie.
Ich bin zu scheu für diese Menschen. Extrovertierte fragen gerne viel: Was man so macht und ob man verheiratet sei; ob man Kinder habe; welche Ausbildung man gemacht habe; was man denn mal werden wolle usw. Warum fragen sie das? Es geht doch gar nicht um mich. Wenn ihr was erzählen wollt, macht das, aber nutzt mich nicht als Vorlage für eure verbalen Interessen. Ich weiß wohl, dass es ein „Abchecken“ ist, dennoch will ich manchmal sagen: „Es ist okay. Ich tue Dir nichts, ich bin keine Gefahr. Aber ich möchte Dir auch nichts „geben“, Dich nicht befriedigen.“
Und doch sag ich es nicht, es wäre zu absonderlich. Unbewusst würden sie es vielleicht verstehen aber sagte ich so etwas – ich müsste noch seltsamer wirken. Wirke ich seltsam? Ich weiß es nicht genau. Man wird mich gewiss betiteln mit solchen Wörtern wie: „Schüchtern“, „introvertiert“, „in sich gekehrt“ – das ist in Ordnung. Es ist für sie notwendig, zu kategorisieren.

Ich reise weiter. Manchmal bleibe ich sitzen auf einer Reise. Dann sitze ich dort in Natur und sitze nur … und wie ruhig ist alles, wie angenehm spüre ich den Wind auf meinem Gesicht. So könnte es bleiben. Wenn ich es realisieren könnte, dann bliebe ich sitzen, ewig, ewig … nimmer mehr zurück. Im Gespräch mit mir, ohne Lärm, oder Blabla, mit dem Blick auf Wald oder Wiese oder Bach.

 

 

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