Woran erkennt man einen Asperger?

Eine Userin stellte diese Frage und ich will versuchen, sie zu beantworten und nehme mich selbst als Fallbeispiel.

 

Merkmale:

 

Rückzugsbedürfnis. Um den sozialen Alltag zu überstehen, brauche ich Rückzugsmöglichkeiten, ansonsten gehe ich an dem Lärm, dem Small-Talk, den gesamten Sinneseindrücken kaputt. Und Rückzug bedeutet nicht „ich bin auch mal gerne alleine“, wie ich es schon öfter von Nicht-Autisten gehört habe, sondern es bedeutet: Ich brauche vorrangig das Alleinsein. Manchmal ist Gesellschaft nicht anstrengend, aber in den allermeisten Fällen raubt es mir meine Energie. Wohingegen Nicht-Autisten eher ihre Energie durch Gesellschaft erlangen.

 

Reizfilterschwäche. Ich weiß nicht, ob der Begriff „Schwäche“ korrekt ist. Da ich Reize nicht so filtern kann wie andere, bin ich schneller erschöpft. Wenn mehrere Personen zusammensitzen und mehrere Leute parallel reden, dann hört sich das für mich an wie Lärm. Es wird zu einem entsetzlichen Rauschen. Und je weniger Energie ich habe, desto schrecklicher ist es für mich. Auch deshalb brauche ich Rückzugsmöglichkeiten, weil die Stille angenehm ist.

 

Spezialinteressen. Das sind Interessen, die über einen längeren Zeitraum intensiv betrieben werden. Manche Spezialinteressen werden jahrelang verfolgt, andere variieren an Intensität oder machen neuen intensiven Interessen Platz. Die intensive Beschäftigung mit dem Thema ist wie das Aufladen der inneren Batterie bzw. wie das „Abwaschen“ der neurotypischen Welt.

 

Small-Talk-Problematik. Ich stelle immer wieder fest, dass ich kaum Probleme habe, ein bestimmtes Thema mit anderen zu kommunizieren, aber bei Small-Talk fühle ich mich immer wieder unbehaglich und hilflos. Da gesmalltalkt wird, um mit anderen in Kontakt zu treten, nicht um ein Thema zu besprechen, weiß ich oft nicht, was ich sagen muss/soll. Manchmal beobachte ich erstaunt, wie sich zwei Menschen, die sich gerade ein paar Minuten kennen, angeregt über Familie, Sport, Politik etc. unterhalten. Faszinierend. So etwas kenne ich aus meinem Leben nicht.

 

Nähe-Distanz. Immer wieder stelle ich fest, dass ich ein ausgeprägteres Distanz-Bedürfnis habe als andere. Oft fühle ich mich unwohl, weil mir andere physisch viel zu nah kommen. Und wenn ich merke, dass jemand privaten Kontakt zu mir haben will, gehe ich auf Distanz.

 

Overload/Meltdown. Diese Zustände zeigen auch nach außen hin, dass es einem Asperger-Autisten nicht gut geht. Wenn keine Rückzugsmöglichkeiten da sind, wenn also die inneren Batterien nicht aufgeladen werden können, wenn alles zu viel wird, dann kann es zu einem Overload kommen – eine Überladung von Sinneseindrücken. Bei mir äußert sich das dadurch, dass ich wie apathisch wirke, kaum noch weiß, was ich tun muss. Es kann vorkommen, dass das Wissen um die kleinsten Kleinigkeiten nicht mehr abrufbar ist (zum Beispiel das Schuhe zubinden). Ein Meltdown ist wie eine Explosion. Als Jugendliche äußerte sich das bei mir so, dass ich mir die Ohren zuhielt und schrie, man solle mich in Ruhe lassen. Nach einem Meltdown kann ein Zustand der Apathie folgen.

 

Blickkontakt. Es ist mir am liebsten, wenn ich nicht intensiv angeschaut werde. Immer wieder spüre ich ein starkes Unwohlsein, wenn ich mit jemandem rede, der mich frontal anschaut. Teils kann ich mich dann nicht mehr darauf konzentrieren, was die Person sagt oder was ich sagen will. Blickkontakt ist für mich grenzüberschreitend. Und übrigens: Auch wenn ich jemanden nicht anschaue, ich höre trotzdem, was er sagt.

 

Repetitives Verhalten/Rituale. Manches wird immer auf die gleiche Art getätigt. Zum Beispiel Essverhalten, Einschlafrituale, Tagesabläufe. Ich esse zum Bespiel gerne immer das gleiche. Und wenn ich meine Kleidung nicht waschen müsste, würde ich jeden Tag die gleiche Kleidung anziehen.

 

 

Das sind für mich die grundlegenden Unterschiede. Darüber hinaus gibt es noch zig andere Merkmale, die ich beobachtet habe:

 

-          Ich bin meistens weitaus leiser als Nicht-Autisten.

-          Ich hinterfrage weitaus mehr.

-          Viele Filme, die mich interessieren, schaue ich sehr, sehr oft.

-          Einige meiner vorgefertigten Sätze habe ich aus Büchern und Filmen gelernt.

-          Ich bin weitaus verschwiegener als andere (was man mir anvertraut, plaudere ich nicht  aus).

-          Mich interessieren Betriebsfeiern oder Vereinsfeierlichkeiten nicht. Ich gehe dort nicht hin.

-          Ich analysiere mich und ändere Schritt für Schritt Verhaltensmuster, die destruktiv sind.

-          Ich mag Logikrätsel und lese Fachliteratur.

-          Telefongespräche sind meistens anstrengend.

-          Ich kann mir Gesichter nicht gut merken.

-         Rechtschreibfehler, Muster, Veränderungen (nicht unbedingt an Personen) fallen mir in der   Regel sehr schnell auf.

-          Gerne gehe ich alleine spazieren und denke nach.

-          Es gibt Redewendungen, die ich nicht verstehe.

-       Manchmal kommt es zu Missverständnissen, weil ich etwas zu wörtlich nahm. (Beispiel: „Wie viele Jahre zählst Du?“)

 

Das soll erst einmal reichen. Momentan schreibe ich wieder an einem Buch, welches unter anderem Texte zum Thema „Asperger-Syndrom“ beinhaltet. Dort werde ich intensiver auf unterschiedliche Themen eingehen.

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