Wie war Dein Urlaub?

Ich weiß ja, dass es Nicht-Autisten extrem wichtig ist, sowas zu fragen. Aus antrainierter Höflichkeit oder um Kontakt herzustellen oder um von ihrem Urlaub zu reden oder um einen Grund zu haben, mit Reden die Stille zu vertreiben oder weil es sie wirklich interessiert.

 

Ich frage sowas nicht. Ob Du im Urlaub warst oder nicht, ob Du dabei einen Selbsterfahrungstrip am Ende der Welt, auf Mallorca mit 100 anderen Leuten Yoga gemacht hast oder mit Haien geschwommen bist oder nur rumgelegen hast ... Dein Leben. Falls Du was erzählen willst, wirst Du das sowieso tun.

Das Einzige, was Kollegen, die aus dem Urlaub wiederkommen, von mir zu hören bekommen, ist vllt. das: "Hi. Willkommen zurück." Fertig. Und danach wird gearbeitet.

 

Die meisten Menschen, die ich kenne, wollen über ihren Urlaub sprechen.

Ich nicht.

Das, was ihr im Urlaub macht, ist selten das, was ich im Urlaub mache.

Das, worauf ihr euch freut, darauf freue ich mich nicht.

Das, was ihr unter "Urlaub" versteht, verstehe ich nicht darunter.

 

Beispiel:

Ich wurde gefragt, ob mein Urlaub "schön" gewesen sei.

Ich fragte zurück, was für die Person denn ein "schöner Urlaub" sei.

Für die Person ist das folgendes: Zeit haben, um zum Beispiel ein gutes Buch zu lesen.

Ich merkte an, dass ich dafür auch sonst Zeit genug hätte. (Mal ehrlich: Nicht-Autisten haben echt wenig Zeit für sowas, weil die meiste Zeit anscheinend für sozialen Austausch genutzt wird ... es ist für mich immer wieder faszinierend, dass NTs so wenig Zeit für sich haben)

Sie verneinte, dass sie dafür sonst Zeit habe. (Immer noch: Faszinierend!)

Wichtig sei ihr, einfach mal auszuspannen, sich auszuruhen.

 

Das, was sie gesagt hat, bestätigt das, was ich auch von anderen kenne: Urlaub ist die Zeit, in der nichts getan wird oder geputzt wird oder weggefahren wird oder sich mit Freunden getroffen wird. Sie haben den Anspruch, dass es ihnen im Urlaub "gut" geht. Gut bedeutet: Nicht traurig oder nicht wütend oder nicht nachdenklich.

 

Tja, was habe ich denn gemacht im Urlaub?

Mir ging es teilweise ziemlich dreckig. Ich habe Therapie gemacht; mein Familiensystem weiter analysiert; mein Projekt Freiheit weiter verfolgt; mich mit unterschiedlichen Süchten in mir auseinander gesetzt. Ich habe den Eindruck, dass das nicht unbedingt das ist, was Nicht-Autisten tun. Und ich würde das den Kollegen auch so nicht erzählen, sonst würde ich wieder als "spooky" gelten oder sowas.

 

Achja, zwei Bücher habe ich aber auch gelesen: Eines über Narzissmus (zwecks Systemanalyse) und eines zum Thema Einnahmen-Überschuss-Rechnung. Auch dahingehend habe ich den Eindruck, dass Nicht-Autisten sowas nur lesen, wenn sie müssen. So wie sie "Lernen" vor allem als Zwang ansehen und als Anstrengung.

 

Ihr seid echt faszinierend! (Keine Ironie)

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